“Ich geh nimmi nuff!” – an dieser Stelle wollen wir außerhalb unseres Podcasts ab und an ein paar Gedanken rund um den Betze zusammenfassen. Nach nun fünf absolvierten Pflichtspielen geht Tobi heute der Frage nach: “Was ist Betze-Feeling?“. Jenes Gefühl sei – so beklagten Stefan Kuntz sowie Kosta Runjaic vor Saisonstart – in den letzten Spielzeiten verloren gegangen.
Neulich entwickelte sich ein Gespräch unter Arbeitskollegen über die aktuelle Situation der Roten Teufel in eine Richtung, die viele von uns sehr wohl kennen dürften. Beginnend mit einem regen Meinungsaustausch zum Saisonstart, dem Kader und natürlich der Frage: „Wo geht die Reise unserer FCK-Elf in dieser Saison hin?“, wandelte sich unser Gespräch in ein lebhaftes schwelgen in Erinnerungen an große Spiele. Immer wieder wird das teuflisch lodernde Gesprächsfeuer neu entfacht: „Ei sellemols 7:4 gäh die Bayern“, „orre Real“, „orre domols des Spiel gäh Barcelona“, „und dann 1991 die Mäschderschaft in Köln“. Nur das Lesen der letzten Zeile dürfte bei den meisten der miterlebenden Generationen eine Gänsehaut ausgelöst haben. Ich für meinen Teil kann dies absolut nachvollziehen, wenngleich meine Erinnerungen altersbedingt nicht so weit zurückreichen. Mitreden als vollwertiger Zeitzeuge kann ich erst, sobald es um den Pokalsieg 1996 und die folgenden Jahre geht. Für mich eindeutig mein größter FCK-Moment, live im Olympiastadion im Schlepptau meines Vaters, im Regen von Berlin. Damals noch nichts ahnend, was alles auf unseren FCK – gutes sowie schlechtes – einprasseln wird. Doch warum erinnern wir uns so gerne an diese vergangenen erfolgreichen Momente? Warum erzählen wir immer wieder über diese glorreichen Spiele? Nun ja, in diesen Erinnerungen schlummert etwas, was wie in unserer Einleitung erwähnt, verloren gegangen zu sein scheint. Betze-Feeling!
Was mich zu der eigentlichen Aufgabe meiner Kolumne führt: Was ist dieses Betze-Feeling überhaupt? Wo kommt es her? Kann man es verlieren und wie holt man es auf den Betzenberg zurück? Fragen über Fragen, welche mich nun seit Saisonbeginn beschäftigen und deren Antworten heute ihren Weg zu „Papier“ finden.
Es scheint sich also um ein „Gefühl“ zu handeln, das sich auf dem Betzenberg breitgemacht hat, seit Jahrzehnten die Fans fasziniert und den 1. FC Kaiserslautern e.V. begleitet.
Wenn man sich so mit diesem eigenartigen Gefühl näher beschäftigt, fällt einem etwas wie Schuppen von den Augen: Betze-Feeling ist nicht nur in großen Siegen vorhanden, sondern auch in großen Niederlagen. Zu ersterem hab ich bereits einige Beispiele aufgeführt. Doch wie kann es sein, dass dieses Gefühl auch in Niederlagen steckt? Dabei fällt mir direkt eine Partie ein, dessen Geräuschkulisse mich sofort wieder umgibt als sei sie erst gestern gewesen. Kaiserslautern, Fritz-Walter-Stadion, 27. Mai 2013, Relegation, der Aufstieg zum Greifen nah. Hoffenheim, der Sauron der Bundesliga-Neuzeit wackelt, das Stadion bebt so laut wie lange nicht, lauter als 2008 am Abgrund zur Drittklassigkeit. Der Sauron wackelt, doch er fällt nicht. Alleine beim Lesen des Spielberichtes von DBB-Autor Marky stellen sich mir die Haare im Nacken. Gibt es das? Da ist es wieder! Betze-Feeling! Wie passend, dass gerade in dieser Niederlage auch Marky feststellt: „Das FCK-Gefühl ist nicht nur unzerstörbar, sondern auch unbezahlbar.“ An jenem Tag sah das ganze Land, dass der Betze nicht tot ist. Er lauert nur! Er lauert darauf entfacht zu werden. Kein Mensch erinnert sich an die Feier der Hoffenheimer, kein einziger. Doch was bleibt uns, den FCK-Fans, von diesem Abend? Eben das Gefühl Fußball-Deutschland gezeigt zu haben, dass der Betze noch bebt. Er gerade dann bebt, wenn er gebraucht wird. Oder warum glaubt ihr habe ich damals auf meinem Weg zum Stadion so viele Autos mit FCK-Emblemen oder dem obligatorischen Kennzeichen „XX – KL 123″ aus allen Ecken Deutschlands wahrgenommen? Ganz einfach, der Betzenberg rief seine Teufel heim. Jeder wollte dabei sein, egal wo er gerade seinen Lebensmittelpunkt hat. Kein Weg war zu weit, keine Mühen zu schwer. Warum? Ihr ahnt es schon. Ich brauch es eigentlich nicht mehr zu erwähnen. Betze-Feeling!
Der Duden beschreibt „Feeling“ sogar als ein „den ganzen Körper erfüllendes“ Gefühl. Und dieses suchte sich an besagtem Abend ein Ventil. Heraus kam das längste, traurig-schönste, lauteste und emotionalste „Olé Rot-Weiß“, welches die Welt gesehen und vor allem gehört hat. Ich bin unheimlich stolz bei diesem Betze-Moment, der etwas anderen Art, dabei gewesen zu sein. Dabei möchte ich aber die Fans nicht vergessen, die aufgrund des suboptimalen Kartenverkaufs nicht dabei sein konnten.
BetzeGebabbel hat sich an die FCK-Fans gewandt und wollte wissen, was für sie Betze-Feeling bedeutet. Dazu haben wir uns vor dem Spiel gegen Eintracht Braunschweig im Stadion umgehört und auch Antworten via Facebook und Twitter erhalten. Zu meinem Erstaunen stellte ich beim Sichten der Antworten folgendes fest: Betze-Feeling steckt in so vielem mehr! So beschreiben die Fans auf Facebook im Großen und Ganzen die komplette Zeremonie vor Anpfiff als Auslöser des Betze-Feelings: Einspielen des Betzelieds, Aufrufen der Spielernamen und Einlaufen der Mannschaft. Auf Twitter hingegen waren die Antworten gewohnt philosophisch. So zwitscherten die Fans, dass die wogende Stimmung als solches und jene, die einem am nächsten Tag noch die Ohren klingeln lässt, Betze-Feeling sei. Spiele drehen gepaart mit Emotionen und Leidenschaft zählen selbstverständlich ebenfalls dazu. Andererseits könne man Betze-Feeling nicht in Worte fassen, denn man müsse es erleben. Im Stadion selbst war die Meinung eindeutig. Unsere Interviewpartner sprachen vom bedingungslosen Zusammenhalt der Fans und einer Stimmung, die so stark auf den Platz bzw. die Mannschaft einwirkt, dass Spiele gedreht werden können. Angeführt wurde nahezu von jedem das Spiel gegen 1860 München am 1. Spieltag als Referenzspiel für ultimatives Betze-Feeling. (Übrigens: Die neue Folge von BetzeGebabbel mit den Interviews aus dem Stadion erscheint kurz vor dem Spiel gegen den FSV Frankfurt!)
Mit den Gedanken an den grandiosen Sieg in Unterzahl nach 0:2 Rückstand gegen die Münchner Löwen stellt sich mir brennend die Frage: Wie konnte man dieses Betze-Gefühl nur verlieren?
Nun ja, es ist ja nicht so als ob es zum ersten Mal verloren gegangen wäre. In der Ära vor Stefan Kuntz als wir Vorstände, Sportdirektoren und Trainer noch schneller wechselten als Nobody den Colt ziehen kann, da kann so ein Gefühl schon einmal verloren gehen. Doch warum suchte das Betze-Feeling gerade unter Stefan Kuntz in den letzten Spielzeiten dann doch wieder das Weite? Zumal er jenes Gefühl maßgeblich mit seiner Herzblut-Kampagne nach seinem Amtsantritt wieder einfing und auf dem Betzenberg für immer konservieren wollte. Schwierige Frage, einfache Antwort. Betze-Feeling ist abhängig! So sehr abhängig von Betze-Fußball wie der Mensch von der Luft zum Atmen. Dieser Fußball ist geprägt von Kampf, Wille und der Überzeugung die Gegner – oftmals „anscheinend überlegene“ Gegner – mit unseren „bescheidenen“ Mitteln auf Teufel komm raus zu schlagen. Dabei gerne nach Rückstand, in der letzten Minute oder in Unterzahl. Und wenn es dann eben mal nicht zum Sieg reicht und unsere Elf nach dem Schlusspfiff erschöpft vom unermüdlichen Anrennen auf des Gegners Tor zu Boden sackt, dann kann ich mich persönlich nicht an Pfiffe im großen Stil erinnern. Betze-Fußball zu erkennen – nein zu spüren – dafür brauch es keine langjährige Ausbildung. Der treue FCK-Fan spürt, ob das Team funktioniert und ob es bestrebt ist Betze-Fußball zu spielen oder gar zu leben. Dieser Fußball führt zwangsläufig, wie eingeimpft, zum Betze-Feeling. Bumm! Nun ist der Groschen gefallen. Ohne nun im Detail auf die drei vergangenen Spielzeiten einzugehen, wage ich einfach zu behaupten: Unsere Roten Teufel spielten über weite Teile alles, nur keinen Betze-Fußball! Manchmal erinnerte mich unser Kombinationsspiel an eine Partie Rundlauf um die Tischtennisplatte, jedoch mit Brotdose, anstatt mit Schläger in der Hand. Läuft zwar, zieht aber nicht. Darüber hinaus funktionierte das Team augenscheinlich nicht, Heimstärke wurde zum Fremdwort und „vom unbändigen Willen zu siegen“, möchte ich gar nicht erst sprechen, denn diese Entschlossenheit war nur sehr selten zu sehen. So konnte einfach kein Betze-Feeling aufkommen. Umgekehrt kann aber auch das Betze-Feeling selbst Betze-Fußball entfachen, jedoch wird aus einem ockerfarbenen Trabant kein lilafarbener Porsche, aus einer Gurke keine Rakete. Mir ist es nämlich etwas zu einfach, die Schuld generell auf die Fans zu schieben. Der Funke muss auch vom Platz auf die Ränge überspringen und nicht immer nur anders herum. Doch wer trägt nun die Verantwortung für den Verlust unseres Betze-Feelings? Ein Stück weit natürlich die Fans, aber nur als Puzzleteil im großen Ganzen. Für die Zusammenstellung des Teams, die danach folgende Ausrichtung sowie die Spielphilosophie, dafür sind die Fans nicht verantwortlich. Hier müssen sich die Beteiligten um Stefan Kuntz an die eigene Nase packen und mehr tun als Jahr für Jahr alles auf den Prüfstand zu stellen. Ein erster, aber viel zu später Schritt in die richtige Richtung, ist die Verpflichtung von Markus Schupp als Sportdirektor. Ob dies nun allerdings der Weg zurück zu mehr Betze-Fußball und damit zum sagenumwobenen Betze-Feeling ist, das bleibt abzuwarten.
Doch was interessiert uns die Rede von gestern? Wir leben im hier und jetzt. Und so zog der FCK mit einer neuen Kampagne und dem Motto „Der Betze rockt!“ in die neue Saison 2014/15 der 2. Bundesliga. Mit im Rockabilly-Style gehaltenen Spielplakaten, Autogrammkarten und einem sensationellen Video, welches die Lust auf Betze anfeuern sollte, wollte man die Fans auf erneute Reise durch die Zweitklassigkeit mitnehmen. Lediglich das semirote Trikot sorgte für Unruhe im Fan-Lager und spaltete die Meinungen. Es ist eben Geschmackssache und solange wir lediglich um ein Trikot diskutieren, sollte man meinen, wir hätten keine anderen Probleme. Nun denn, die Roten Teufel lagen in der Halbzeit des 1. Spiels gegen 1860 München in Unterzahl 0:2 hinten und für viele mag sich „Der Betze rockt!“ eher wie ein schlechter Scherz angefühlt haben. Mein Kumpel Lars meinte sogar in der Halbzeit müde lächelnd: „Wer so ein Spiel jetzt in Unterzahl noch dreht, der kann davon eine ganze Saison lang zehren!“ Ich wünsche mir so sehr, dass er Recht hat. Spätestens nachdem das Spiel in unglaublicher Weise tatsächlich noch gedreht wurde, die ersten 3 Punkte im Sack waren und wir in die Nacht feierten, wusste jeder: Heute, das war Betze-Feeling!
Am Ende rockte der Betze also doch noch. Wenn ich an die strahlenden Gesichter von Jung und Alt zurückdenke, dann bestätigt mich dies in der Annahme, dass dies eindeutig Betze-Feeling war und durch Betze-Fußball ausgelöst wurde. Das darauffolgende Heimspiel gegen Braunschweig sorgte zudem noch für eine kleine Wiederholung, als das Spiel gedreht und eben auch gewonnen wurde. Halten wir doch einfach an diesem Gefühl fest, denn mit nun 8 Punkten nach 4 Spielen ist unsere Elf immerhin ungeschlagen und hat dabei sogar einen recht guten Ball gespielt. Mit einer Portion Glück und einem Schiri, der etwas von seinem Fach versteht, hätten es auch gut 12 Punkte sein können.
Fassen wir zusammen: Das Betze-Feeling ist wieder zurück, zurück als junges Pflänzchen. Gepflanzt in seinem Garten Betzenberg. Lasst es uns hegen und pflegen solange bis es wieder groß und stark ist.
Lasst uns das angehen, gemeinsam für unseren FCK – im Hintergrund höre ich die Betzewutz bereits grunzen – , denn inzwischen habe ich „vom Feeling her ein gutes Gefühl“!
Wir sehen uns im Stadion, wenn der Betze ruuuuuuft.
PS: Den Euro zahl ich gerne. Danke an Andi „Heulsuse“ Möller.
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